Menschen, die regelmäßig fokussieren, kennen das: Plötzlich sind da schwierige Emotionen, die nicht da waren, bevor man Focusing gelernt hat. War es vielleicht falsch, sich überhaupt mit Focusing zu beschäftigen?
Ich möchte hier eine Erklärung für dieses Phänomen anbieten und Sie einladen nachzuspüren, ob diese Erklärung auch für Sie passt.
Wenn Anteile unserer selbst, die wir lange beiseite geschoben haben, weil sie zu schmerzhaft oder zu überwältigend waren, mitbekommen, dass wir regelmäßig fokussieren und uns unserem inneren Erleben zuwenden, wenn sie spüren, dass wir immer stärker werden und immer mehr aushalten, trauen sie sich endlich, sich zu zeigen und unsere innere Bühne zu betreten. Plötzlich sind da Empfindungen, die wir lange nicht gesehen haben, weil wir sie nicht sehen wollten, und es formen sich Emotionen, die zuvor in uns schlummerten, die implizit waren, wie Gene Gendlin es formulieren würde, und die sich jetzt formen können, weil plötzlich ein sicherer innerer Raum existiert, in dem sie sich weiter entwickeln können.
Obwohl da jetzt schwierige Gefühle sind, wo früher keine waren, handelt es sich also eigentlich um einen Entwicklungsschritt. Altes Erleben, das stecken geblieben ist, bekommt nun die Zuwendung, die es braucht, um aus sich selbst heraus seinen nächsten Schritt zu tun und den Prozess zu vollziehen, der nötig ist.
Diese innere Arbeit ist nicht einfach. Häufig ist sie schmerzhaft und braucht alle inneren und äußeren Ressourcen, die wir mobilisieren können. Doch der steinige Weg lohnt sich. Kleine Entwicklungsschritte reihen sich aneinander und wenn wir zurück blicken, erkennen wir eines Tages, wie weit wir schon voran gekommen sind. Vielleicht spüren auch Sie, möglicherweise nur ein ganz kleines bisschen, dass Sie heute Dinge tun, denken, spüren oder sagen können, die in der Vergangenheit nicht möglich waren.
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