Kritik an den Emotional Freedom Techniques (EFT) aus Sicht des Focusing
- Arno Katz

- 12 hours ago
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Es war im Jahr 2000, als ich zum ersten Mal von den Emotional Freedom Techniques (EFT) hörte. Damals lebte ich in Madrid und mein Leben war purer Stess: neues Land, neue Kultur, neue Sprache, neue Beziehung. Daher entschloss ich mich, einige Coaching-Sitzungen bei einem US-Amerikaner zu machen, der in einem englischsprachigen Magazin inseriert hatte. Dave war mitte Sechzig, Sozialarbeiter und war seiner spanischen Frau nach Madrid gefolgt, die dort für die UNO arbeitete.
Schon damals hatte ich ein zutiefst personenzentriertes und von Carl Rogers geprägtes Menschenbild. Als Dave mir die Kopftechnik des EFT zeigte, war ich deshalb äußerst skeptisch. Ein solches Verfahren passte nicht so recht im mein Weltbild. Doch siehe da, es funktionierte! Mein Stresslevel ließ sich teilweise deutlich durch das Klopfen der vorgeschriebenen Akupunkturpunkte reduzieren. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, vergaß ich diese Technik jedoch nach und nach und konzentrierte mich stattdessen auf mein Studium des Focusing.
Vor ein paar Monaten stolperte ich dann erneut über EFT, belegte ein Online-Seminar und las einige Bücher, unter anderem von dem Begründer Gary Craig. Und tatsächlich funktionierte EFT immer noch für mich - aber nur manchmal.
Warum möchte ich dann EFT hier kritisieren? Weil ich glaube, dass die Wirksamkeit nicht im Abklopfen bestimmter Akupunkturpunkte liegt, sondern dass andere Faktoren eine Rolle spielen. Außerdem glaube ich, dass die starre Vorgehensweise des EFT, bei der von außen auf inneres Erleben eingewirkt wird, die Gefahr in sich birgt, eine nachhaltige Entwicklung eher zu erschweren als zu fördern. Hier sind die Knackpunkte im Einzelnen:
1. Vorgegebene Form vs. entstehender Prozess
EFT ist in seiner Grundform stark strukturiert: Akupunkturpunkte, Reihenfolge, Affirmationen, Wiederholungen. Das kann als klare Anleitung hilfreich sein – zugleich kann es aber dazu verführen, dem inneren Erleben ein Schema aufzuerlegen.
Focusing betont dagegen, dass sich der Prozess nicht erzwingen lässt. Zwar gibt es auch bei uns Schritte als Lern-Gerüst, aber die Kernidee ist: Das, was sich im Körper zeigt, darf den Takt angeben. Aus Focusing-Sicht ist es nicht förderlich, wenn eine Methode so stark „von außen“ führt, dass das „von innen“ entstehende Wissen zu wenig Raum bekommt.
2. Intensität senken vs. Beziehung zum Erleben
In vielen EFT-Anwendungen steht die Reduktion der empfundenen Belastung im Vordergrund: Wie hoch ist die Intensität jetzt? Ist sie nach dem Klopfen gesunken? Das kann entlastend sein – und es kann auch zum Problem werden, wenn der Schwerpunkt unbemerkt auf dem „Wegklopfen" liegt.
Focusing fragt weniger: „Wie bekomme ich das schnell kleiner?“ und mehr: „Wie ist es, das Ganze davon im Körper zu spüren – und wie kann ich dazu in eine freundliche, tragfähige Beziehung kommen?“ Der Unterschied ist fein, aber entscheidend: Nicht das Gefühl soll verschwinden, sondern es soll in einer Weise gehalten werden können, die Entwicklung ermöglicht.
3. Standardisierte Formeln vs. „frische“ Worte aus dem Felt Sense
EFT arbeitet oft mit vorgegebenen Satzmustern. Solche Formeln können Orientierung geben, gerade für Anfänger. Aus Focusing-Sicht liegt hier aber eine Schwachstelle: Worte wirken dann am stärksten, wenn sie wirklich „passen“ – nicht zum Thema als Überschrift, sondern zum konkreten Körpererleben in diesem Moment.
Im Focusing entstehen passende Worte (oder Metaphern, Bilder, Gesten, kurze Sätze) als Symbolisierung: etwas, das den Felt Fense präzise trifft und dann wiederum Resonanz auslöst. Wenn man stattdessen Standardformulierungen wiederholt, besteht die Gefahr, dass man auf der Ebene von vorgefertigten Mustern bleibt – und das körperlich-implizite Wissen nicht wirklich erreicht.
4. Meridian-/„Energie“-Erklärung als äußeres Deutungsraster
EFT wird mit Meridianen, Energieblockaden oder „energetischer Psychologie“ erklärt. Unabhängig davon, wie man persönlich zu solchen Modellen steht: Aus focusing-orientierter Sicht kann dieses Erklärungsgerüst vom Wesentlichen ablenken. Focusing ist phänomenologisch: Es braucht kein externes Modell, um zu arbeiten. Entscheidend ist, dass sich im Körper eine Bedeutung zeigt, die vorher noch nicht klar war, und dass daraus ein stimmiger nächster Schritt entstehen kann. Ein starkes „Theorie-Dach“ kann – je nach Person – dazu führen, dass man mehr an die Erklärung glaubt als an die eigene unmittelbare Erfahrung.
5. Was wirkt eigentlich – die Klopfpunkte oder die allgemeinen Wirkfaktoren?
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft nicht nur EFT, sondern viele Methoden: Selbst wenn Menschen profitieren, ist die Frage, wodurch genau. Bei EFT lassen sich Effekte häufig auch durch allgemeine Wirkfaktoren erklären: fokussierte Aufmerksamkeit, behutsame Zuwendung zu dem Thema, Unausgesprochenes in Worte fassen, Entspannung durch Rhythmus, Erwartungseffekte.
Ich bin überzeugt, dass hierin der Grund dafür liegt, warum EFT bei mir teilweise funktioniert: Weil ich mich beim Klopfen meinem Erleben zuwende, ihm Raum gebe und es sich ausdrücken lasse - und das mit einer akzeptierenden, nicht drängenden Haltung. Für bestimmte Teile meiner selbst wirkt es darüber hinaus beruhigend, wenn ich die vorgeschriebenen Akupunkturpunkte berühre.
6. Tempo der Selbsthilfe vs. Dosierung und Begleitung
EFT wird häufig als Selbsthilfe-Werkzeug vermittelt. Das hat Vorteile: es ist niedrigschwellig, schnell verfügbar, gut allein anzuwenden. Gleichzeitig birgt Selbsthilfe bei intensiven Themen Risiken – vor allem, wenn man ohne ausreichende Stabilisierung direkt mit stark belastenden Inhalten arbeitet.
Focusing arbeitet traditionell stark mit Dosierung: erst Präsenz herstellen, Abstand und Sicherheit schaffen, dann schrittweise näher an das Thema heran. Oft ist auch eine Begleitung (Focusing-Partnerschaft oder therapeutischer Rahmen) Teil der Vorgehensweise. Aus Focusing-Sicht ist kritikwürdig, wenn das Tempo zu hoch wird und sich Menschen „durchklopfen“, obwohl ihr System eigentlich nach mehr Schutz, Kontakt und Langsamkeit ruft.
Fazit
Aus Sicht des Focusing liegt die Hauptkritik an EFT weniger darin, dass Klopfen „schlecht“ wäre, sondern darin, dass die Methode leicht in eine Richtung genutzt werden kann, die dem inneren Erleben keinen Raum gibt: Protokoll statt Prozess, Weg-haben-wollen statt Beziehung, äußeres Modell statt innerer Bedeutung, Worte von außen nach innen statt Symbolisierung von innen nach außen.
Wenn EFT jedoch so angewandt wird, dass es den inneren Kontakt unterstützt – zum Beispiel als beruhigender Rhythmus, während man sich dem Felt Sense wirklich zuwendet und nur Formulierungen gebraucht, die spürbar passen – dann kann EFT mit Focusing kompatibel sein. Für mich jedenfalls funktioniert das.
Der entscheidende Maßstab bleibt aus focusing-orientierter Sicht: Entsteht mehr innerer Raum, mehr Genauigkeit, mehr stimmige Bewegung? Oder wird etwas nur „bearbeitet“, damit es ruhig ist und verschwindet?





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