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Focusing und Hochsensivität

  • Writer: Arno Katz
    Arno Katz
  • Aug 3
  • 2 min read

Updated: Aug 4

„Hast du mal darüber nachgedacht, ob du vielleicht hochsensitiv bist?“ Das fragte mich vor ein paar Monaten eine Focusing-Kollegin, mit der ich gut befreundet bin, nachdem ich ihr von meinen inneren Reaktionen auf bestimmte Situationen berichtet hatte. Diese Frage hatte ich mir bis zu dem Zeitpunkt noch nie gestellt, obwohl ich den Begriff schon gehört hatte. Meine Freundin schickte mir einen Selbst-Test, den ich direkt ausfüllte, und Bingo! Sie hatte recht gehabt mit ihrer Vermutung. Ich bin ziemlich eindeutig hochsensitiv. Also begann ich, mich mit dem Thema zu beschäftigen.


Hochsensivität oder Hochsensibilität (englisch: high sensitivity) ist keine psychische Störung und auch keine Diagnose, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal. Es beschreibt eine besonders feine Wahrnehmung von Reizen – sowohl im Außen als auch im Inneren. Der Begriff wurde besonders durch die US-Psychologin Elaine N. Aron geprägt. Hochsensible Menschen (HSP = Highly Sensitive Person) verarbeiten Informationen und Reize intensiver und tiefgehender als andere. Etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen weltweit weisen dieses Charaktermerkmal auf, das sich sowohl als Segen als auch als Fluch erweisen kann.


Hier sind zentrale Anzeichen, an denen man Hochsensivität erkennt:


Tiefe Informationsverarbeitung


  • intensive Verarbeitung von Sinneseindrücken, Gedanken und Gefühlen

  • gründliches Nachdenken, starkes Reflektieren

  • Neigung zum „Überanalysieren“


Erhöhte Sinneswahrnehmung


  • Geräusche, Gerüche, Licht, Temperatur oder Berührungen werden intensiver wahrgenommen

  • schnell überreizt bei starker Reizflut (z.B. laute Orte, Menschenmengen, viel Bewegung)

  • Feinfühligkeit für Stimmungen oder nonverbale Signale anderer


Starke emotionale Reaktionen


  • intensives Mitempfinden mit anderen (Empathie)

  • tief empfundene Freude oder Traurigkeit

  • höhere Verletzlichkeit bei Kritik oder Ablehnung


Tiefes Bedürfnis nach Rückzug


  • Notwendigkeit von Ruhepausen zur Reizverarbeitung

  • starke Erschöpfung nach sozialen Interaktionen oder stressigen Tagen

  • häufig introvertiert, aber nicht zwangsläufig


Kreativität und Intuition


  • häufig künstlerisch oder ideenreich veranlagt

  • gutes Gespür für Zwischentöne, Harmonie oder Ungleichgewicht

  • intuitive Entscheidungen statt rein rationaler Abwägung


Starkes Gerechtigkeitsempfinden


  • sensibel für Ungleichheiten, Unfairness oder Unmoral

  • oft hohes Verantwortungsgefühl

  • Konflikte werden stark emotional erlebt

Viele meiner inneren und äußeren Reaktionen im Laufe meines Lebens erscheinen durch diese Erkenntnisse in einem ganz anderen Licht und ergeben im Nachhinein einen tiefen Sinn, z.B. meine Abneigung gegen laute Musik und große Menschenansammlungen. Schon als Teenager waren Diskobesuche für mich anstrengend und nach erlebnisreichen Ereignissen bin ich schneller erschöpft als andere. Vor dem Hintergrund dieses Wissens über typische Auswirkungen von Hochsensivität verstehe ich mich heute besser.


Es erscheint mir auch kein Wunder, dass ich zu Focusing gefunden habe, denn Focusing hilft genau bei dem, womit wir Hochsensitiven Probleme haben: bei der Verarbeitung all der inneren und äußeren Reize, die uns zu überfluten drohen, bei der Regulation des inneren Ungleichgewichts, das dadurch entsteht, beim Zurückfinden in unsere Mitte und nicht zuletzt beim Setzen von Grenzen, die uns vor zukünftiger Überforderung schützen.


Der Schlüssel dazu ist das Nachspüren im Körper. Durch Focusing lernen wir, unseren Körper von innen heraus wahrzunehmen, ohne uns mit unserem Erleben zu identifizieren. So spüren wir wesentlich schneller, wann es zu viel wird und was richtig für uns wäre, auch wenn andere Menschen mit Unverständnis darauf reagieren. Wir spüren einfach, was für uns gut ist, auch wenn alle anderen scheinbar etwas anderes brauchen.


Focusing unterstützt uns also, eigene Wege zu gehen und gegen den Mainstream zu schwimmen, wodurch die negativen Begleiterscheinungen der Hochsensivität neutralisiert werden. Mit all ihren positiven Gaben (siehe oben) ist sie damit für mich zu einem echten Segen geworden.



 
 
 

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