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  • Writer's pictureArno Katz

Dabei sein ist das Wichtigste

Hier finden Sie mein Lieblingszitat von Gene Gendlin dazu, was bei Psychotherapie, Beratung, Coaching etc. das Entscheidende ist - die Haltung des Dabeiseins (meine Übersetzung):


"Ich möchte mit dem Wichtigsten anfangen, das ich zu sagen habe: Die Essenz der Arbeit mit einem anderen Menschen ist es, als lebendiges Wesen dabei zu sein. Und das ist ein glücklicher Umstand, denn wenn wir gescheit, gut, reif oder weise sein müssten, hätten wir wahrscheinlich ein Problem. Aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, ist als menschliches Wesen bei einem anderen menschlichen Wesen zu sein, die andere Person als einen Jemand da drinnen zu sehen. Sogar bei einer Katze oder einem Vogel, wenn man zum Beispiel einem verletzten Vogel helfen will, ist das Erste, was man wissen muss, dass da jemand drin ist und dass man darauf warten muss, dass die "Person", das Wesen dort im Inneren, mit einem in Kontakt tritt. Das erscheint mir das Allerwichtigste.


Wenn ich mich also mit jemandem zusammensetze, nehme ich meine Probleme und Gefühle und stelle sie dort hinüber auf eine Seite, ganz in die Nähe, weil ich sie vielleicht brauche. [...] Und ich nehme alle Dinge, die ich gelernt habe - klientenzentrierte Therapie, das Zurücksagen, Focusing, Gestalt, psychoanalytische Konzepte und alles andere (ich wünschte, ich hätte sogar noch mehr) - und stelle es hier hinüber, auf meine andere Seite, in die Nähe. Dann bin ich einfach hier, mit meinen Augen, und dort ist dieses andere Wesen. Falls es mir in die Augen schaut, sieht es, dass ich nur ein zittriges Wesen bin. Das muss ich akzeptieren. Vielleicht schaut es nicht. Aber wenn es das tut, wird es das sehen. Es sieht die etwas schüchterne, leicht zurückgezogene, unsichere Existenz, die ich bin. Ich habe gelernt, dass das okay ist. Ich brauche nicht emotional sicher und gefestigt dabei zu sein. Ich muss einfach dabei sein. Es gibt keine Voraussetzungen, was für eine Art von Person ich zu sein habe. Für den großen Therapieprozess, den großen Entwicklungsprozess, braucht es einen Menschen, der bereit ist, dabei zu sein. Daher bin ich allmählich zu der Überzeugung gekommen, dass sogar ich so jemand sein kann. [...]


Hier ist also meine Art und Weise das auszudrücken: Lassen Sie weder Focusing noch das Zurücksagen noch irgendetwas anderes dazwischenkommen. Verwenden Sie all das nicht als etwas dazwischen. Sagen Sie nicht: 'Ich kann hier bleiben, weil ich meine Zurücksage-Methode habe, ich habe meinen Ping-Pong-Schläger, deswegen kommst du nicht an mich heran. Du sagst etwas? Du bekommst es zurück.' Sehen Sie, dass wir in gewisser Hinsicht bewaffnet sind? Wir haben Methoden, wir kennen Focusing, wir haben Zertifikate, wir haben Doktorentitel. Wir haben diesen ganzen Kram und daher ist es einfach für uns, da zu sitzen mit all dem dazwischen. Lassen Sie es nicht dazwischen kommen, räumen Sie es aus dem Weg. Sie können wenigstens so viel Mut haben wie der Klient. Ich würde mich mit dem ganzen Kram, den ich habe, für mich selbst schämen, wenn ich nicht trotzdem aus den Augen herausschauen könnte, während mein Gegenüber das kann. Deswegen möchte ich auf dieselbe Art und Weise da sein. [...]


Ich glaube, das Erste, was wir machen müssen, ist diese Haltung zu kommunizieren. Das ist so nötig in einem Feld, das immer "professioneller" wird, mit anderen Worten: nutzlos und teuer."



Gendlin, E.T. (1990): "The small steps of the therapy process: How they come and how to help them come". In G. Lietaer, J. Rombauts & R. Van Balen (Eds.): Client-centered and experiential psychotherapy in the nineties, S. 205-224. Leuven: Leuven University Press. Entnommen von: https://www.focusing.org/gendlin/docs/gol_2110.html (11.02.2024)

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