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Writer's pictureArno Katz

Tod, Trauer und Focusing

Updated: Jul 2, 2023

Das Jahr 2021 hat mich in einem Maße mit dem Thema Tod und Trauer konfrontiert wie kein anderes je zuvor. Im Juni starb der Mann einer guten Freundin an Herzversagen, im Juli verstarb meine Mutter und im Oktober erlag der Mann einer weiteren sehr guten Freundin einem Herzinfarkt. Mit den drei Menschen, die ihre Partnerin bzw. ihren Partner verloren haben, mit meinem Vater und meinen beiden guten Freudinnen, habe ich lange Gespräche über Tod, Trauer und Verlust geführt.




Kurz vor Weihnachten kam dann ein achtzehnjähriger Nachbar und ehemaliger Mitschüler unseres Sohnes auf tragische Art und Weise ums Leben. Er wurde von einem Zug überfahren. Es war ein Unfall. Unser Sohn und meine Frau waren auf der Beerdigung.




Solche Tragödien katapultieren uns direkt in eine religiöse bzw. spirituelle Dimension und lassen Fragen aufkommen, wie etwa: "Warum musste das geschehen?" oder "Wohin gehen wir nach dem Tode?" Sie berühren das große Mysterium und können nicht wissenschaftlich beantwortet werden. Und doch kann es hilfreich und wichtig sein, seine ganz persönlichen Antworten zu finden. Die verschiedenen Religionen und spirituellen Wege leisten dabei eine ganz entscheidende Hilfestellung. Ich selbst beantworte die Frage, was nach dem Tode geschieht, damit, dass wir - ganz wörtlich genommen - zu Mutter Erde zurückkehren. Für mich persönlich reicht diese Antwort.




Welche Rolle kann nun Focusing bei der Bewältigung von Tod und Trauer spielen? Mit Focusing wenden wir uns dem in uns zu, was noch nicht den Prozess durchgemacht hat, den es benötigt, was also steckengeblieben oder eingefroren ist. Was sich bereits im Prozess befindet, braucht ein bewusstes Wahrnehmen und unsere Präsenz, aber keine Verarbeitungsschritte.





Ein Beispiel: Zwei Personen verlieren einen geliebten Menschen. Beide bezeichnen das, was sie erleben, als "Trauer". Die eine spürt jedoch Verbitterung, ein Sich-Auflehnen, ein Nicht-Akzeptieren dessen, was geschehen ist, und hadert mit ihrem Schicksal. Die andere spürt eine warme, fließende Trauer, ein Annehmen, Tränen kommen und versiegen wieder, es ist so, wie es ist.




Der zweite Fall spiegelt das wider, was ich beim Tode meiner Mutter erlebt habe. Meine Mutter litt schwer an Alzheimer, erkannte niemanden mehr, war gefangen in ihrem Körper, geplagt von Ängsten. Ihr letztes Lebensjahr verbrachte sie in einem Pflegeheim. Am Tag ihres Todes, den 27.07.2021, trank sie nachmittags eine Tasse Kaffee, aß ein paar Kekse, ging auf dem Flur spazieren, setzte sich dann auf ihr Lieblingssofa und starb. Draußen schien die Sonne. Sie wurde 78 Jahre alt.





Den Tod meiner Mutter habe ich als Befreiung erlebt. Natürlich war und ist da auch Trauer, aber nicht das Gefühl, dass etwas passiert ist, was nicht hätte geschehen dürfen. Alles ist im Fluss und bis heute habe ich nicht ein einziges Mal darauf fokussiert. Es war einfach nicht nötig.




Die Todesumstände meiner Mutter haben mir den Verarbeitungsprozess sehr leicht gemacht. Wenn jemand jedoch ganz plötzlich und viel zu früh mitten aus dem Leben gerissen wir, wie die beiden Männer meiner Freundinnen - beide starben mit Anfang fünfzig - oder der Mitschüler meines Sohnes, sieht das völlig anders aus. In solchen Fällen ist es sehr verständlich, wenn der Verarbeitungsprozess nicht von alleine abläuft oder nur sehr langsam oder nur teilweise und in bestimmten Bereichen.




Wenn wir darauf fokussieren wollen, spüren wir nach, wie sich all das, was mit dem Tod der geliebten Person zu tun hat, im Körper anfühlt. Wir lassen Worte, wie "Trauer" oder "Schmerz", fallen und spüren ganz konkret nach, was wir dort im Innern erleben, beschreiben es und treten dazu in Beziehung.




Wer Focusing nicht kennt, wird sich fragen, was das bringen soll. Fokussierende wissen aber, wie wichtig es ist, unsere körperliche Resonanz auf Lebenssituationen zu spüren und in die Dimension des Felt Sense einzutauchen. Setzen wir uns auf rein gedanklicher Ebene mit Tod und Trauer auseinander, bleiben wir an der Oberfläche und es bewegt sich nichts. Erst wenn wir unser körperliches Erleben mit einbeziehen, kommt es zu dem Verarbeitungsprozess, den wir uns wünschen.




Wie dieser inhaltlich aussieht, kann nicht vorhergesagt werden. Ganz sicher führt er jedoch zu inneren und äußeren Schritten, die sich richtig anfühlen. Das Leben geht weiter!


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