Viele Menschen in unserer Gesellschaft glauben, sogenannte "Psychopathologie" oder "psychische Erkrankung" sei etwas, das man hat, wie ein "Ding", wie einen Virus oder eine Infektion. Die Heilung sei dann medizinischer Natur, beispielsweise durch Medikamente.
Im Einzelfall mag das so sein. Es gibt psychische Erkrankungen, die dadurch entstehen, dass die Biochemie des Körpers aus der Balance geraten ist und durch Medikamente wieder ins Lot gebracht werden muss.
In der Mehrzahl der Fälle lassen sich psychische oder emotionale Probleme jedoch darauf zurückführen, dass Interaktionen mit Bezugspersonen in der Vergangenheit nicht so waren, wie sie hätten sein sollen. Etwas durfte nicht gesagt, gefühlt oder gelebt werden.
Tatsächlich führen solche ungünstigen Interaktionen zu etwas, das sich wie ein "Ding" in uns anfühlt. "Das ist mein Zwang, meine Angst, meine Depression."
Wenn man dem dann aber mit Hilfe von Focusing nachspürt, stößt man auf das, was nicht gesagt, gefühlt oder gelebt werden durfte, und das immer noch verzweifelt darauf wartet, sich auszudrücken. Immer wieder nimmt es Anlauf und immer wieder scheitert es. Durch diese Wiederholung (die Psychoanalyse spricht von Wiederholungszwang) entsteht der Anschein, es handele sich um eine innere Entität, z.B. eine "Angststörung".
Aus Focusing-Sicht handelt es sich jedoch eher um "etwas, das Angst hat" und das immer wieder vergeblich versucht, Sicherheit zu finden. Aus dieser Perspektive besteht die Heilung darin, dass die Interaktion endlich, endlich Erfolg hat. Das, was traurig ist, wird getröstet, das, was Angst hat, wird beschützend in den Arm genommen, der stumme Schrei darf sich lösen und wird gehört, die aufgestaute Energie darf gelebt werden.
Darin besteht unsere Aufgabe, wenn wir anderen Menschen helfen wollen. Wir treten so mit ihnen in Beziehung, dass das, was nicht gelebt werden konnte, Raum bekommt, gehört wird und hinaus in die Welt getragen werden kann.
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