Heute Morgen ist Fermín, der geliebte Onkel meiner Frau, in einem Krankenhaus in Madrid an einer Lungenentzündung gestorben, nachdem er sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Er hat gerne gelacht, getrunken und er hat gerne Raubkopien von Spielfilmen aus dem Internet heruntergeladen.
Meine Frau ist Madrilenin und ihre ganze Familie lebt dort. Die Situation in der spanischen Hauptstadt ist im Augenblick wie in einem Horrorfilm. Meine Schwiegereltern haben sich mehr oder weniger in ihrer Wohnung verbarrikadiert. Lebensmittel bestellen sie im Internet oder meine beiden Schwägerinnen bringen sie vorbei. Das funktioniert noch.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht in diesem Blog über die zurzeit grassierende Pandemie zu schreiben. Es befremdet mich sehr, wie psychologische und spirituelle Lehrer die Krise nutzen, um ihre jeweiligen Lehren unters Volk zu bringen, ohne selbst betroffen zu sein.
Besonders irritiert hat mich ein Video von Eckhart Tolle, in dem er über die Corona-Krise redet und seine Lehre propagiert. Eigentlich stimme ich dem zu, was er sagt, was mir aber fehlt, ist das Mitgefühl für das Leiden der Menschen.
Diejenigen, die jemanden verloren haben, empfinden großen Schmerz. Andere machen sich Sorgen über ihre Gesundheit oder ihre wirtschaftliche Existenz. Da hilft es nicht, sie darüber zu belehren, dass sie sich mit ihrem wahrnehmenden Bewusstsein identifizieren sollen und nicht den wahrgenommenen Empfindungen, weil der Schmerz sonst nicht aushaltbar sei. Was mir bei diesem Ansatz fehlt, ist die Liebe.
Doch wie können wir in diesen Tagen unsere Liebe ausdrücken - unsere Liebe zu uns selbst und unsere Liebe zu denen, die leiden? Unsere Politiker sagen, indem wir körperlichen Abstand halten. Das ist sicher richtig.
Ich würde jedoch gerne ergänzen: Lasst uns im richtigen Abstand dabei sein! Bei unseren eigenen Gefühlen von Angst, Furcht, Verunsicherung oder Trauer! Und auch bei anderen Menschen, die diese Empfindungen gerade erleben. Es ist egal, ob wir selbst betroffen sind, weil unser Gehalt wegbricht, wir selbst infiziert sind oder jemanden kennen, der sich angesteckt hat.
Lasst uns bei all diesen Empfindungen in uns selbst und bei anderen sein, nicht darin, nicht identifiziert damit, sondern in Beziehung dazu. Vielleicht wortlos, vielleicht auch mit Worten, wie "Das ist wirklich schrecklich". So habe ich heute den Tag mit meiner Frau verbracht.
Die Worte "Dabeisein ist alles" bekommen dadurch eine ganz neue Bedeutung. Was unsere Gefühle und die anderer Menschen wirklich brauchen, ist, das wir sie wahrnehmen, anerkennen und in Beziehung zu ihnen treten: "Ja, das fühlt sich wirklich so an. Das ist wirklich so."
Meine spanische Familie hat das verstanden - ohne dass sie sich jemals mit irgendwelchen psychologischen oder spirituellen Lehren beschäftigt hat. Sie ist beieinander, natürlich nicht körperlich, sondern im Herzen und auch über die verfügbaren sozialen Medien.
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