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Writer's pictureArno Katz

Gibt es "innere Teile"?

"Ein Teil von mir möchte meinen Job an den Nagel hängen und ein anderer Teil von mir macht sich Sorgen, ob ich dann genug Geld zum Leben habe."



 


Im Focusing - wie auch in anderen Methoden - arbeiten wir häufig mit sogenannten "inneren Teilen". Die Formulierung „ein Teil von mir“ macht deutlich, dass es sich nicht um die ganze Person handelt, sondern eben nur um einen Teil der Person. Die Person ist viel mehr als dieser einzelne Teil und hat auch noch andere Teile.


 


Besonders hilfreich ist diese Formulierung, wenn innere Konflikte bearbeitet werden: „Ein Teil von mir möchte gehen und ein anderer Teil möchte bleiben. Ich halte beide Teile in meinem Bewusstsein und schenke ihnen meine Aufmerksamkeit, damit sie sich mir mitteilen und enthüllen können, was sie antreibt.“


 


Doch die Formulierung „ein Teil von mir“ birgt auch Gefahren. Sie verdinglicht etwas, das nicht als eine Entität, als ein „Ding“, in uns existiert. Die Vorstellung, dass es Teile in uns gibt, sozusagen wie farbige Bauklötze in verschiedenen Formen und Größen, kann den Entwicklungsprozess, den Focusing fördert, blockieren, da sie nahe legt, dass diese Teile fest und unveränderlich sind.


 


Vielmehr laufen innere Prozesse ab, die in entgegengesetzte Richtungen gehen können. Ein Prozess geht in Richtung „Job an den Nagel hängen“ und ein anderer in Richtung „Angst, was ohne Job passiert“. Wenn beide Prozesse in Präsenz gehalten werden und der Fokussierende zu ihnen in Beziehung tritt, können sich die Inhalte dieser Prozesse recht schnell ändern. Der Prozess „Job an den Nagel hängen“ führt möglicherweise zu „mehr Freiheit wollen“ und der Prozess „Angst, was dann passiert“ zu „Sicherheit wollen“. Wenn sich die Prozesse erst einmal so weit entwickelt haben, haben sie mit dem ursprünglichen Inhalt nur noch wenig zu tun. Möglicherweise fließen sie auch in einen umfassenden Prozess, beispielsweise „frei sein und sich dabei sicher fühlen“.  Formt sich ein solch übergeordneter Prozess, fühlt es sich nicht mehr so an, als gäbe es Teile. Es fühlt sich so an, als befände sich das Leben im Fluss, als gehe es weiter.


 


Das Wort „Teil“ kann also dieses In-den-Fluss-geraten verhindern. Ein Teil bleibt eben immer ein Teil, auch wenn er sich inhaltlich verändert. Das Wort festigt ein inneres Erleben und beschwört die Illusion herauf, dass es unveränderliche Instanzen in uns gibt, die sich uns zwar mitteilen, die aber immer so bleiben. Im Idealzustand sind wir jedoch nicht „geteilt“, sondern wir befinden uns im Fluss und leben einfach unser Leben. Empfehlenswert ist daher die Formulierung „etwas in mir“. Das Wort „etwas“ lässt offen, worum es sich handelt, und ermöglicht so den Entwicklungsprozess, den wir im Focusing fördern wollen.


 

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