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Writer's pictureArno Katz

Focusing und Sucht

Sucht ist ein schwieriges Thema, vielleicht sogar das schwierigste Thema innerer Arbeit überhaupt. Jeder Fall ist so unterschiedlich und das mit der Sucht verbundene Leid teilweise so groß, dass es sicherlich keine Patentrezepte gibt. Das, was ich hier schreibe, ist also eher von theoretischem Interesse als von praktischem Nutzen. Ich möchte nur ganz allgemein sagen, wie Focusing den Heilungsprozess unterstützen kann. Die damit verbundene innere Arbeit muss ganz individuell geleistet werden. Bei einer Sucht, die dazu führt, dass der Betroffene seinen Alltag nicht mehr bewältigen kann, ist ganz sicher Hilfe von Suchtexperten nötig.

    

Bei einer Sucht, ganz egal ob nach harten Drogen, Alkohol, Nikotin, Süßigkeiten, Computerspielen, Sport, etc., wirken mehrere innere Persönlichkeitsanteile zusammen. Zunächst gibt es einen Teil, der das jeweilige Suchtmittel konsumieren WILL. Eventuell ist dieser jedoch aus dem Bewusstsein verbannt worden. Die Tatsache, dass die Sucht weiter besteht, zeigt aber, dass es ihn gibt. Desweiteren wird es einen Teil geben, der das Suchtmittel NICHT konsumieren will, der sich Sorgen macht, der Angst hat, der Kritik übt: "Warum bekommst du das einfach nicht in den Griff? Was ist nur los mit dir? Was soll nur werden?" 

    

In der Regel besteht der innere Konflikt des Süchtigen darin, dass er aufhören möchte, aber nicht kann, ohne den Grund dafür wirklich zu verstehen. Mit anderen Worten: Der Teil, der NICHT will, ist bewusst, der Teil der WILL, ist unbewusst. Beide Teile stehen miteinander in Konflikt. Beide haben einen wichtigen Beitrag zu leisten und beide müssen gehört werden.

    

Um das zu können, muss man zunächst in den Zustand der Präsenz kommen (siehe meinen Blog-Beitrag der letzten Woche). Aus der Präsenz heraus wird dann der Teil, der schon da ist, anerkannt und begrüßt. Der Teil, der nicht da ist, muss ins Bewusstsein eingeladen werden. Dabei ist sehr sensibel vorzugehen. Alles, was sich dem Prozess in den Weg stellt, muss ernst genommen werden. Scheinbare Störungen kommen aus einem guten Grund und müssen ebenfalls zu Wort kommen dürfen. ALLES, was sich meldet, muss gehört werden. Dieser Prozess braucht Zeit: Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate.

    

Sobald sich dann der Teil meldet, der der Sucht nachgeben WILL, lädt man diesen ein mitzuteilen, WELCHES POSITIVE GEFÜHL er für einen bewirken will. Was soll man fühlen, dadurch dass das Suchtmittel konsumiert wird? Geborgenheit? Sicherheit? Emotionales Gesättigtsein? Oder etwas anderes?

    

Das GEWOLLTE POSITIVE GEFÜHL zu hören ist der Schlüssel. Häufig tritt dadurch ein Mangel zutage, etwas, das dringend gebraucht wurde oder wird, was aber nicht zur Vergügung stand oder steht.

    

Wie geht es nun von hier aus weiter? Diesen Mangel, dieses Defizit, zu spüren kann sehr schmerzhaft sein. Der Schmerz muss voll und ganz da sein dürfen und gehört werden. Erst dann kann er sich wandeln...


Wenn der Schmerz wirklich tief gehört wurde, ist es hilfreich, den Körper einzuladen zu zeigen, wie es sich anfühlen würde, wenn das, was gebraucht wurde oder wird, jetzt da wäre. Der Körper ist in der Lage, OHNE das Suchtmittel den gewünschten Zustand einzunehmen. Wenn das passiert, ist das ein magischer Moment. "It fills itself in", schreibt Gene Gendlin, der Begründer von Focusing: Der Körper heilt sich selbst, wenn er die nötigen äußeren Bedingungen geboten bekommt.

    

Worin bestehen nun diese Bedingungen? Eine Bedingung ist, dass dieser Prozess in der Interaktion mit einem anderen Menschen stattfindet. Es ist eben doch etwas von außen nötig, nämlich das warme, mitfühlende, verständnisvolle Dabeisein einer anderen Person - nicht aber das Suchtmittel.

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