Schmerz ist eine Botschaft des Körpers, dass etwas nicht in Ordnung ist. Um diese Botschaft zu entschlüsseln und angemessen reagieren zu können, muss der Schmerz gehört und richtig verstanden werden. Ärzte sind Experten hierfür. Auch Focusing kann einen wertvollen Beitrag leisten...
Zunächst muss der Schmerz erst einmal anerkannt werden. Es muss anerkannt werden, dass er da ist. Das ist schwerer, als es auf den ersten Blick erscheint, weil in der Regel etwas auf den Plan tritt, was den Schmerz nicht will. Der quälende Schmerz soll endlich verschwinden! Das ist nur allzu verständlich, aber auch dieser Wunsch muss innerlich anerkannt werden, etwa so: "Ich spüre, dass mein Knie Schmerzen hat, und ich spüre etwas in mir, das den Schmerz nicht erträgt, das ihn loswerden will. Beides ist da."
Sind diese beiden inneren Anteile erst einmal gesehen und anerkannt worden, kann man sich dem Schmerz zuwenden und ihn in all seinen Schattierungen beschreiben. Wo spüre ich den Schmerz? Ist er eher dumpf oder stechend oder brennend oder passt ein anderes Wort? Hat er eine Farbe oder eine Form? Oder steigt ein inneres Bild auf, das ihn gut beschreibt?
Nachdem man eine Beschreibung gefunden hat, die möglicht genau passt, spürt man in die emotionale Qualität des Schmerzes hinein. Ist es ein trauriger Schmerz oder eine wütender? Liegt irgendeine Stimmung in ihm?
Sobald eine Gefühlslage gefunden ist, wird der Schmerzstelle zurückgesagt, dass man hört, was sie empfindet: "Ich höre wirklich, wie verzweifelt und hoffnungslos du bist." Und dann bleibt man offen für alles weitere, was die Schmerzstelle vielleicht auch noch mitzuteilen hat.
Diese Vorgehensweise widerspricht unserer kulturellen Prägung, nach der wir uns möglichst schnell von dem Schmerz abwenden und uns ablenken wollen. Ist es denn nicht so, dass der Schmerz stärker wird, wenn wir uns ihm zuwenden? Probieren Sie es selbst einmal aus. Der Schmerz WILL gehört und gesehen werden, weil er eine Botschaft für uns hat. Hört man ihn endlich, braucht er nicht länger mit einem Knüppel an die Türen unseres Bewusstseins zu schlagen und dadurch wird der Schmerz häufig etwas gemildert oder er verschwindet sogar ganz. Es ist geradezu so, als würde sich ein Teil der Intensität des Schmerzes aus dem Kampf speisen, da sein zu dürfen und gehört zu werden. Wenn er nicht mehr zu kämpfen braucht, muss der Schmerz nicht mehr so insentiv sein.
Eine Garantie, dass er ganz verschwindet, gibt es aber nicht. In Fällen von chronischem Schmerz, etwa bei irreparabelen Schäden, kann Focusing jedoch dabei helfen, sich bewusst zu machen, dass der Schmerz nur an bestimmten Stellen im Körper sitzt. Andere Stellen mögen schmerzfrei sein und möglicherweise fließt viel Energie in ihnen und sie fühlen sich gut an. Mit Focusing kann in die positiven Empfindungen gefühlt werden, sie können ganz da sein, ohne dass der Schmerz verschwindet. Schmerzen sind eben nur ein Teil des körperlichen Erlebens und nicht alles.
Schmerzstellen, die nicht verschwinden, sind aber oft bereit mitzuteilen, wie mit ihnen umgegangen werden soll, z.B. "Sei ganz ganz sanft zu mir" oder "Geh zum Arzt mit mir".
Bewährt hat sich außerdem ein Perspektivwechsel, der durch einen anderen Sprachgebrauch ermöglicht wird. Nicht "Mein Knie tut mir weh", sondern "Mein Knie hat Schmerzen". Durch diese Formulierung kann man sich daran erinnern, dass das Knie nicht der Übeltäter ist, sondern das Opfer. Dadurch wird es leichter, Mitgefühl für das Knie zu empfinden, und wenn man erst einmal Mitgefühl empfindet, ist man nicht mehr mit dem Schmerz identifiziert. Es wir einem bewusst, dass es mehr in einem gibt als den Schmerz. Aus diesem Bewusstsein heraus kann man dem Schmerz gegenübertreten, um seine Botschaft zu hören.
Wie gehe ich nun ganz persönlich mit Schmerz um? Von Ann Weiser Cornell habe ich gelernt, bei plötzlich auftretendem Schmerz, etwa wenn ich mich gestoßen oder geschnitten habe, innezuhalten, wirklich stehen zu bleiben, und mich dem Schmerz auf die oben beschriebene Weise zuzuwenden. Wird er gehört, verschindet er in der Regel schneller.
Bei länger anhaltendem Schmerz, etwa bei Kopfschmerzen, spüre ich ebenfalls auf die beschriebene Art und Weise in den Schmerz hinein. Häufig muss ich mich dabei aber erst dem Teil in mir zuwenden, der den Schmerz nicht will. Natürlich nehme ich bei starken Schmerzen auch Schmerzmittel, wenn die Schmerzstelle das will. Hört man dem Schmerz zu, teilt er einem mit, was er braucht: Schmerzmittel? Einen Spaziergang an der frischen Luft? Ein heißes Bad? Ein Besuch beim Arzt?
Mit chronischem Schmerz, von dem ich glücklicherweise bisher weitgehend verschont wurde, beschäftige ich mich in begleiteten Focusing-Sitzungen. Außerdem gehe ich zum Arzt! Für mich ist beides wichtig.
Schmerz da sein zu lassen und sich ihm zuzuwenden, anstatt sich abzuwenden und ihm zu entfliehen, ermöglicht es ihm, seine Botschaft mitzuteilen, was auch immer diese sein mag.
Wenn Sie gerne auf die hier beschriebene Art und Weise mit Schmerz arbeiten wollen und sich dabei persönliche Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie mich. Außerdem empfehle ich die folgenden Bücher bzw. CDs:
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