Ein Leser schreibt:
Hallo Herr Katz,
mich beschäftigt die Frage, wird man nicht völlig gefühllos nach außen, wenn man sich immer sagt: "Ah, da ist ein etwas (Gefühl) in mir ... ich begrüße es ..." usw.? Dann bin ich nach außen doch wie eine Littfasssäule ... und alles findet nur innen statt. Wenn ich das mit meinen negativen Gefühlen mache, mag das ja irgendwie ok sein, doch wenn ich mir das vorstelle, mit meiner Heiterkeit zu machen, ist das schon komisch!
Wenn ich das mit der Angst mache, ist es ein auf Distanz gehen, was bis dahin nachvollziehbar ist. Aber wenn ich das mit meiner Freude mache, ist es schon komisch.
Auch sieht das so aus, als wenn man beim Focusing die Gefühle gar nicht ausleben kann.
Also irgendwie sehe ich da doch etwas falsch. Oder?
Wäre schön, wenn sie mir dabei einen Tipp geben könnten.
Besten Dank!
Lieber Leser,
das sind gute und wichtige Fragen!
Sie haben vollkommen recht, dass es keinen Sinn macht, sich von positiven Empfindungen, wie etwa Heiterkeit oder Freude, zu disidentifizieren, indem wir beispielsweise sagen "Etwas in mir ist heiter" und es dann begrüßen.
Wir disidentifizieren uns von schwierigen Empfindungen, um sie durch einen Prozess zu führen. Angenehme Empfindungen brauchen keinen Prozess. Die können einfach so bleiben, wie sie sind. Oft ist es aber gut, sie ganz bewusst im Körper zu spüren und das Gefühl wirklich zu genießen. Die meisten Menschen nehmen sich viel zu wenig Zeit dafür.
Focusing bedeutet nicht, dass wir alles, was wir spüren, im Innern halten und es nicht nach außen zeigen. Wenn wir inneres Erleben jedoch einfach ungefiltert nach außen tragen, bereuen wir das in vielen Fällen anschließend. Wenn wir uns aber Zeit nehmen und innehalten, um darauf zu fokussieren, ergeben sich häufig Wege, inneres Erleben nach außen zu tragen, die für die Situation angemessen sind. Vielleicht bedeutet das sogar, dass wir mit der Faust auf den Tisch hauen und schreien: "So geht das nicht weiter!" Aber erst nachdem wir darauf fokussiert haben.
Manchmal dauert dieses Innehalten nur eine Sekunde, manchmal viele Stunden. Das Entscheidende ist, erst nachzuspüren und dann zu handeln.
Herzliche Grüße
Arno Katz
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