Focusing-Einsteiger sind häufig der Auffassung, dass Focusing etwas sei, das man alleine betreibe, ähnlich wie die Meditation. Diese Annahme wird durch viele Focusing-Einstiegsbücher bestärkt. Tatsächlich ist es so, dass Focusing alleine (auch Solo-Focusing genannt) zwar möglich, aber schwer ist, auch für Fortgeschrittene. Focusing funktioniert viel reibungsloser, wenn man dabei begleitet wird, zum Beispiel in einer Focusing-Partnerschaft oder in bezahlten Focusing-Sitzungen. Wie kommt das? Und was kann man tun, damit Focusing auch alleine klappt?
Zunächst zur ersten Frage: Die inneren Prozesse, die beim Focusing ablaufen, sind an äußere Bedingungen gekoppelt. Ein Faktor ist die Aufmerksamkeit. Wenn man alleine ist, fällt es schwer, die Aufmerksamkeit im Inneren zu halten. Tausend Dinge fallen einem ein und die Aufmerksamkeit schweift ab. Wenn man einen Zuhörer hat, ist es viel leichter, die Aufmerksamkeit auf das zu fokussieren, was in einem vor sich geht. Viele Menschen kennen das aus Diskussionen. Wenn man mit anderen Menschen redet, kann man viel einfacher klare Gedanken fassen und diesen folgen. Wenn man alleine ist, sind Gedanken viel assoziativer und flüchtiger.
Ein zweiter Faktor ist Sicherheit. Manchmal stößt man innerlich auf Dinge, mit denen es nicht leicht ist, alleine zu sein, die vielleicht sogar Angst auslösen. Durch die Anwesenheit einer wohlwollenden und verständnisvollen anderen Person gewinnt man die Sicherheit, sich auch diesen Inhalten zuzuwenden. Es ist so, als ginge man durch einen dunklen Wald. Man kann auch alleine hindurchgehen, wenn aber ein anderer Mensch dabei ist, ist man eher bereit, verschlungene Pfade einzuschlagen. Wenn Sicherheit fehlt, zeigt sich manchmal inneres Erleben gar nicht erst, weil es weiß, dass mit ihm nicht angemessen umgegangen würde. Es bleibt sozusagen im Unterholz sitzen.
Ein dritter Faktor ist, dass der Mensch von Natur aus sozial ist. Alles, was in uns vorgeht, bedarf der sozialen, zwischenmenschlichen Anerkennung, damit auch wir selbst es unverzerrt wahrnehmen und akzeptieren können. Wir sind einfach so programmiert, dass wir unser inneres Gleichgewicht nur halten können, wenn wir uns mit anderen darüber austauschen, was in uns vorgeht.
Trotzdem ist Focusing alleine bis zu einem gewissen Punkt möglich. Gehen wir die drei Faktoren durch und überlegen, wie diesen Rechenschaft getragen werden kann, wenn man alleine ist.
Als erstes zur Aufmerksamkeit: Wie kann es gelingen, dass die Aufmerksamkeit nicht abschweift? Zunächst muss ein Rahmen da sein, der das, was man vorhat, als Focusing-Sitzung definiert. Dieser beinhaltet, dass man dafür sorgt, dass man nicht gestört wird, also Telefon ausschalten, Tür zumachen, Tür abschließen, Zettel an die Tür hängen, warten, bis man alleine zuhause ist, etc. Bewährt hat sich auch, ein äußeres Symbol zu finden, dass jetzt Focusing-Zeit ist, z.B. eine Kerze anzünden, einen besonders schönen Stein vor sich hinlegen, ein Tuch ausbreiten etc. Es ist schwer, den Prozess rein gedanklich durchzuführen. Ich selbst flüstere leise dabei, es kann aber auch hilfreich sein, ein (besonders schönes) Notizbuch vor sich liegen zu haben und das Wesentliche zu notieren oder sogar vor dem Computer zu sitzen und zu tippen.
Als nächstes zum Faktor Sicherheit: Die Sicherheit, die einem ein anderer Mensch geben kann, ist durch kaum etwas anderes zu ersetzen. Ein Kuscheltier, das man vor sich hinsetzt, kann aber auch helfen, sich sicher zu fühlen, ebenso wie Fotos von Personen, die eine besondere Bedeutung für einen haben. Wie wäre es mit einem Foto von einem wichtigen Verwandten, dem Dalai Lama oder Sigmund Freud? Wessen Foto würde Ihnen helfen? Außerdem sollte man sich an einem Ort befinden, an dem man sich wohl und geborgen fühlt, also beispielsweise im eigenen Wohnzimmer, und nicht in der Münchener U-Bahn um Mitternacht.
Nun zur sozialen Anerkennung dessen, was wir in uns finden: Meine Erfahrung ist, dass es wirklich dieser Anerkennung bedarf, damit wir die Wahrheit, die wir in uns finden, voll leben können. Es bedarf allerdings keiner sofortigen Anerkennung, so dass wir uns in aller Ruhe überlegen (oder darauf fokussieren) können, wem wir was erzählen wollen oder durch welche Handlungen wir unsere Wahrheit in die Welt hinaus tragen können. Menschen, denen man etwas erzählt, sollten Menschen sein, die verstehen, wovon wir reden, die uns wertschätzen und das, was wir ihnen mitteilen, nicht ablehnen. Diese Menschen sollte man mit Bedacht auswählen.
Beherzigt man diese Tipps, wird es mit etwas Übung möglich, auch alleine zu fokussieren. Focusing alleine geht jedoch in der Regel nicht so tief wie begleitetes Focusing. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Soziale Interaktion ist ein sehr wichtiger Faktor für das Gelingen innerer Arbeit. Trotzdem kann und will ich auf Focusing alleine nicht verzichten.
Wenn Sie lernen wollen, alleine zu fokussieren, und sich Unterstützung dabei wünschen, setzen Sie sich mit mir in Verbindung.
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