Manchmal werde ich gefragt, ob mein Leben leichter geworden ist, seitdem ich Focusing praktiziere. Meine Antwort lautet: ja und nein.
Das Leben stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Immer wieder gibt es schwierige Situationen, die wir bewältigen müssen. Menschen, die wir lieben, oder wir selbst, werden krank, Freunde und Angehörige sterben, es brechen Kriege in der Welt aus, Menschen werden von Umweltkatastrophen heimgesucht. All diese schwierigen Situationen lösen eine Resonanz in uns aus und das hört nie auf! Ich kann mich sehr gut an den Tag erinnern, an dem sich die Reaktorkatastrophe in Fukoshima ereignet hat - ein Samstag. Den ganzen Tag über habe ich eine bedrückende Weltuntergangsstimmung in mir gespürt.
Mit Focusing kann man lernen, diese innere Resonanz ganz deutlich wahrzunehmen und zu spüren. Sobald man Focusing kennt, sind die Zeiten, in denen man sein Innenleben verdrängt hat, vorbei. So gesehen könnte man sogar fast sagen, dass das Leben schwerer wird. Wenn man mit offenen Augen durchs Leben rennt, sieht man den Schmerz...
Es macht jedoch einen riesigen Unterschied, ob ich mit dem, was in mir vorgeht, identifiziert bin oder nicht. ICH spüre die Weltuntergangsstimmung in mir - als ein Etwas, dem ich gegenübertreten kann und für das ich mich interessieren kann. Die Stimmung ist da, aber ich bin auch da. Wenn ich zu dieser Stimmung in mir in Beziehung trete, enthält sie wichtige Informationen für mich, wie ich mein Leben leben sollte. Dasselbe gilt für alle schwierigen Gefühle. Ich möchte mich daher allem, was schwer ist, stellen. Ich möchte nicht länger wegsehen und blind durch die Welt laufen.
Mit anderen Worten: Nein, das Leben wird nicht leichter. Es wird jedoch reicher und tiefer!
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