Viele spirituelle Wege unterscheiden die Dimension des Formlosen von der Dimension der Form und empfehlen, aus der Identifikation mit den Formen auszusteigen und unsere formlose Essenz als unser wahres Ich zu betrachten. Konkret heißt das, dass wir uns aus der Verschmelzung mit Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen lösen und uns mit dem identifizieren sollen, was all das wahrnimmt - mit unserem Bewusstsein, unserer Achtsamkeit, unserer Präsenz.
Bis an diesen Punkt gehen Focusing und solche spirituellen Wege einen gemeinsamen Weg. Was nach dem Ausstieg aus der Identifikation geschieht, unterscheidet sich jedoch grundlegend. Besagte spirituelle Wege lehren, man möge aus der Präsenz heraus nur noch wahrnehmen, ohne sich in den Formen zu verstricken. Im Focusing jedoch wenden wir uns den Bewusstseinsinhalten zu und treten zu ihnen in einer ganz bestimmten Art und Weise in Beziehung, wodurch sich die Inhalte verwandeln können.
Spirituelle Wege wissen nicht, dass das möglich ist. Sie gehen davon aus, dass Bewusstseinsinhalte nicht beeinflusst werden können und dass wir in eine Falle tappen, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen, dass wir uns sozusagen in ihnen verheddern und dadurch in eine Identifikation rutschen.
Focusing überbrückt die Schwelle zwischen dem Formlosen und den Formen und findet genau am Übergang zwischen beidem statt. Indem wir aus unserer formlosen Essenz heraus - aus dem, was kein Inhalt ist, sondern was Inhalt hat - in Beziehung treten zu den Formen, verändern sich diese und bilden neue Formen. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Veränderungsprozess immer eine positive Richtung hat - zu mehr Freiheit, Freude und Wohlbefinden.
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