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Das Implizite

Writer: Arno KatzArno Katz

Das Implizite ist ein Kernkonzept der Philosophie Gene Gendlins, aus der die Praxis des Focusing hervorgegangen ist. Um zu erklären, was gemeint ist, möchte ich kurz das Menschenbild darstellen, das dieser Philosophie zugrunde liegt.


Dieses basiert auf der Vorstellung vom menschlichen Körper als einem komplexen Prozess, der sich in komplexen Austauschprozessen mit seiner Umwelt befindet. Der menschliche Körper ist Teil der Welt und als solcher untrennbar mit dieser verbunden. Körper und Umwelt beeinflussen sich wechselseitig. Wenn ich zum Beispiel einen Raum mit Menschen betrete, verändere ich diesen durch meine Anwesenheit. Vielleicht sehen die Menschen mich an und vielleicht tritt jemand zur Seite, um mich vorbei zu lassen. Gleichzeitig wirkt sich der Raum auf mich aus. Ich kann innerlich spüren, welche Atmosphäre herrscht, ob sie gespannt oder entspannt ist. Ich habe also eine innere Resonanz auf den Raum. Mein Körper ist in der Situation und die Situation ist in meinem Körper.


Gleichzeitig ist dem Körper ein implizites Wissen darüber gegeben, was er für sich und seine Entwicklung braucht. So ist etwa implizit in ihm angelegt, dass er regelmäßig Nahrung aufnehmen muss. Wir können spüren, wenn wir Hunger haben. Ist Nahrungsaufnahme, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich, kann das, was impliziert ist, was also eigentlich geschehen müsste, nicht geschehen. Wird Nahrung aufgenommen, wird das, was impliziert war, erfüllt. Das Leben kann dann weiter gehen.


Beim Beispiel Nahrungsaufnahme scheint das ganz offensichtlich. Unser Körper hat jedoch ein implizites Wissen darüber, was in JEDER Situation das Richtige für uns wäre. Die innere Resonanz, die wir auf Situationen haben, wird mit unserem impliziten körperlichen Wissen verglichen, was wir für uns und unsere Entwicklung brauchen.


Nehmen wir einmal an, wir stoßen auf ein Problem. Wir treffen anschließend auf Menschen, die sagen: "Da musst du einfach durch." Wenn es das ist, was wir hören mussten, um das Problem bewältigen zu können, löst sich in uns etwas und es geht weiter. Ist es nicht das, was wir brauchen, löst sich nichts und der implizite Schritt vollzieht sich nicht. Wir können das deutlich spüren, etwa durch körperliche Spannung oder durch immer wiederkehrende Emotionen, Gedanken oder innere Bilder. Vielleicht ist das, was uns weiter tragen würde, aufrichtige Anteilnahme und Unterstützung. Vielleicht aber auch etwas anderes.


Mit anderen Worten: Trifft das, was implizit in uns angelegt ist, auf die richtigen äußeren Umstände, vollzieht es innere Schritte, die uns weiter tragen und wachsen lassen. Trifft es auf widrige Umstände, bleibt es unverändert und versucht weiterhin, günstige Bedingungen für seine Entwicklung zu finden. Viele Gefühle und Verhaltensweisen lassen sich so erklären.


Mit Focusing können wir das, was implizit in uns ist, explizit machen. Wir können unser inneres Wissen anzapfen und hören, was in uns gehört werden will, indem wir es symbolisieren, also indem wir Wörter, Bilder usw. finden, die es beschreiben. Finden wir die richtigen Symbole, gerät unser Erleben in Fluss und entwickelt sich weiter. Häufig wirkt das körperlich sehr befreiend.


Manchmal ist das bloße Hören nach innen das, was gefehlt hat, und wenn wir es endlich tun, löst sich der innere Knoten und es geht weiter im Leben. Allerdings anders als vorher, weil uns nun Informationen zur Verfügung stehen, die wir zuvor nicht hatten. Manchmal löst sich der Knoten durch reines Hören nicht, wir können aber wahrnehmen, was wir tun müssen, damit dies geschieht, wie etwa, eine bestimmte Handlung vorzunehmen.


Focusing funktioniert, weil der menschliche Körper untrennbar mit der Welt verbunden ist und weiß, was er von dieser braucht. Mit Focusing können wir dieses innere Wissen finden.


Nächste Woche schreibe ich über die körperliche Schnittstelle, an der innen und außen in uns zusammen kommen, den sogenannten Felt Sense.


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