Ein Schlüsselkonzept bzw. eine Schlüsselfähigkeit des Inner Relationship Focusing ist Präsenz. Gemeint ist die Fähigkeit, alles innere Erleben, also alles, was innerlich auftaucht, alle Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, inneren Bilder etc. anzuerkennen, da sein zu lassen und auszuhalten. Wie funktioniert das, vor allem, wenn wir innerlich etwas erleben, das wir gar nicht wollen oder sogar ablehnen?
Wenn innerlich etwas aufsteigt, meldet sich häufig etwas Zweites, das nicht will, dass das Erste da ist. Wenn etwa ein bestimmtes Gefühl aufkommt, zum Beispiel Verzweifelung, kann es passieren, dass innerlich etwas auf den Plan tritt, das sagt: "Ich will aber nicht verzweifelt sein." Sollte das passieren, muss auch das zweite Etwas anerkannt werden, um wieder in Präsenz zu kommen: "Ich spüre, dass etwas in mir verzweifelt ist, und ich spüre, dass etwas in mir das nicht will. Beides ist da."
In Präsenz zu sein bedeutet, sich nicht mit den Inhalten des eigenen Erlebens zu identifizieren, sondern mit seinem größeren Ich, das all die Inhalte wahrnehmen kann. Das zu tun kann zu großer spürbarer Erleichterung führen: "Ich bin nicht all die Dinge, die in mir vorgehen, sondern diejenige/derjenige, die/der all das wahrnimmt." Besonders bei Inhalten, die durch unsere Kultur als "pathologisch" etikettiert werden, ist das von großem Nutzen.
Es gibt viele Methoden innerer Arbeit, die ein Konzept wie Präsenz haben. Andere Methoden sagen aber nicht, was zu tun ist, sobald ein Mensch in Präsenz ist. In Präsenz zu kommen ist der einzige Schritt, den sie zu bieten haben. Dieser hat natürlich großen Wert, das Problem ist aber, dass dadurch die Inhalte des Bewusstseins unverändert bleiben. Dieselben Inhalte tauchen immer wieder auf.
Im Focusing gehen wir weiter. Aus der Präsenz heraus bauen wir eine Beziehung zu den Inhalten auf, die es diesen ermöglicht, sich zu verändern, sobald sie dazu bereit sind. Auf diese Weise findet echter Wandel statt.
Betont werden muss, dass Präsenz NICHT bedeutet, dass man unerträgliche äußere Umstände einfach ertragen, aushalten und mit sich selbst ausmachen soll. Präsenz bedeutet, dass wir unsere inneren Reaktionen auf die äußeren Umstände wahrnehmen, anerkennen und erforschen, um dann angemessen auf die äußeren Umstände reagieren zu können.
In Präsenz zu kommen und Präsenz zu halten erfordert Übung. Es ist eine Fähigkeit, die langsam aufgebaut und kultiviert werden muss. Es gibt allerdings niemanden, der dauerhaft in Präsenz leben kann - ich auch nicht. Präsenz ist graduell, eine Frage von mehr oder weniger. Gerade in schwierigen Situationen und Lebenslagen macht es sich bezahlt, wenn man ein Stück weit gelernt hat, sein Erleben wahrzunehmen, ohne sich damit zu identifizieren.
Wenn Sie sich meine Unterstützung dabei wünschen, treten Sie mit mir in Kontakt.
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